Synergetik-Einzelsitzung: Die Ohrfeige
Die Klientin ist sehr eifersüchtig
und leidet unter massiven Ängsten, wenn ihr Mann nicht Zuhause ist.
In dieser Sitzung deckt sie ein Fami-lienthema auf, welches sich offensichtlich
schon durch mehrere Generationen zieht - das tiefe Gefühl, kein Zuhause
zu haben - und sie landet auch in einer wichtigen Schlüsselszene dazu.
Dieses Erlebnis, welches sie schon in der frühen Kindheit tief geprägt
hat, war wie ein Schockerlebnis und scheint immer dann wieder neu aktiviert
zu werden, wenn die Klientin von ihrem Mann alleine gelassen wird.
Zu Beginn der Sitzung kommt sofort der Satz hoch „Ich will ihn für
mich alleine haben.“
Th: Wiederhole den Satz ein paar
mal und spüre mal, welches Bild oder Gefühl dazu gehört.
Kl: - spricht sehr leise und fast teilnahmslos: Ich fühle mich als Kind.
Ich will irgendein Spielzeug für mich alleine haben. Ich fühle mich
wohlbehütet, zu-hause, aber ich will irgendein Spielzeug alleine haben.
Ich kann das nicht klarer erkennen, was das ist. So ein Gefühl, als ob
mir irgend jemand meinen Teddy wegnehmen will - ein anderes Kind oder so. ...
Ich habe gerade das Gefühl, ich krieche zu meiner Mutti auf das Sofa, mit
dem Teddy im Arm und ich fühle mich noch so richtig zuhause und auch trotzig.
Meine Mutter gibt mir eine Ohrfeige, sagt, dass ich mich nicht so benehmen soll,
nimmt mir den Teddy weg und gibt ihn dem anderen Kind.
Th: Wie ist das für dich?
Kl: Ich habe keinen Schmerz, ich staune irgendwie - als ob ich in einer anderen
Welt wäre ... - mit apathischer Stimme - ... wie ein Gefühl von „davon
fliegen“. Als ob ich um meine Mutter herum fliege, als ob meine Seele
raus geht. Das Kind sitzt da und ich bin draußen. Ich staune über
diese Welt. Ich schwebe irgendwie so über den Köpfen. Es ist alles
so unversändlich.
Th: Spür’ mal, wie alt du bist.
Kl: Drei.
Th: Spür’ mal, was da gerade passiert ist.
Kl: Diese Ohrfeige hat mich aus meinem Körper geholt. Und diese Ohrfeige
ist gekoppelt an das Entreissen von dem Teddy. In dem Moment bin ich raus.
Th: Also, du hast nicht geschrien und ge-weint, du hast dem Körper nicht
erlaubt, sich auszudrücken. Und das hat dazu beigetragen, dass du rausgegangen
bist - ist es sowas? Spür’ mal?
Kl: Es ist so - die Stimme wird immer leiser und träger - ich kann gar
nicht meine Arme bewegen - da kommt der Schlag und sofort wird mir was aus den
Händen gerissen. ... Ich bin nicht mehr das Kind. Ich bin draussen und
ich wundere mich über diese Menschen.
Th: Ja, das ist wie im Schock. Das Be-wußtsein geht aus dem Körper
raus und schaut zu. Guck mal, was das Kind jetzt macht, welche Reaktion es zeigt,
ob es schreit oder weint ...
Kl: Das starrt ins Leere mit grossen Au-gen. Das sieht fast erschreckend aus.
- spricht sehr leise und langsam - Ich rutsche immer weiter weg, das Zimmer
wird immer kleiner.
Th: Ok., dann schau’ mal, wo du hinkommst, was du wahrnimmst, was passiert.
Kl: Draussen ist es dunkel. Ich weiss’ nicht, wo ich bin. Das Zimmer sieht
so winzig klein aus. Es wird alles immer dunkler. Irgend jemand ruft meinen
Na-men - „Beate!“ „Beate!“ „Beate, hör’
jetzt endlich, verdammt nochmal.“ - Meine Mutter ruft nach mir.
Th: Spür’ mal, ob dich die Stimme zurück holt.
Kl: - widerstrebend - Ja, ich bin wieder in meinem Körper drin und starre
meine Mutter jetzt an.
Th: Wie reagiert sie, wie sieht sie aus?
Kl: Böse. Sie sagt, jetzt hör’ endlich mal, ich will wissen,
ob du noch Kuchen willst. - Die hat Ideen.
Th: Erzähl’ ihr mal, was gerade mit dir passiert ist.
Kl: Mama, du hast mir eine Ohrfeige ge-geben und den Teddy weg gerissen und
dann war ich aus meinem Körper draussen. Und du hast das gar nicht gemerkt.
Und jetzt hast du mich gerade zurück gerufen. Irgendwie seid ihr doch alle
hier so absurd.
Th: Und sag’ ihr auch, dass das Ganze Auswirkungen hat bis heute.
Kl: Ich hab’ immer noch den Satz in mir, ich will ihn für mich alleine
haben und der Satz hat mir so viele Schmerzen ge-macht und ich habe bis heute
nicht ge-wusst, warum ich diesen Schmerz habe.
Th: Und der Schmerz ist immer noch nicht draussen. Du hast nicht geweint, damals.
Schau’ dir den Teddy an, der Schmerz müsste bei dem Teddy sein.
Kl: - fängt an zu weinen - Der Teddy will in meine Arme. Der Teddy will
wieder in meine Arme. Ich hab’ den Teddy heute noch. Das ist ein knallgelber
Teddy.
Th: Dann hol’ ihn dir mal nachts ins Bett.
Kl: - weint verzweifelt und schreit plötzlich aus tiefster Seele: ICH WILL
IHN WIEDER HABEN!!!!!!!!!!!!!!!!! Mein Teddy! - weint lange Zeit sehr - Mama,
das ist mein Teddy, schau!
Th: Du hast ihn immer noch nicht losgelassen. Deshalb hast du ihn bis heute
aufgehoben, damit du einen Teil deiner Seele wieder zurück holst - über
deinen Teddy. Und jetzt bist du gerade dabei, diesen Teil deiner Seele wieder
zurück zu holen - voll geladen mit Schmerz und Traurigkeit. Sag’
es deiner Mutter.
Kl: Mutti, ich habe mich so zuhause ge-fühlt, so geborgen, so „da“
und jetzt bin ich aus meinem Körper raus. - weint verzweifelt - Deshalb
verliere ich immer den Boden unter den Füssen, wenn mein Mann mich alleine
lässt und weg geht. - weint und schreit - Dann habe ich kein Zuhause mehr
und bin aus meinem Körper draussen. - Mein Teddy nickt.
Th: Sag’ es deiner Mutter.
Kl: Mutti, du hast mich damals aus meinem Zuhause vertrieben. Das Gefühl,
geborgen zu sein, hast du mir in dem Moment genommen - bis heute. - Das will
sie nicht hören.
Th: Dann sag’ es ihr so deutlich, dass sie es hört.
Kl: - wird wütend und holt sich den Schlagstock. Sie schreit und schlägt
auf den Boden: Du hast mich aus meinem Zuhause vertrieben. Scheisse! Scheisse!
Ich hab’ es mein Leben lang überall ge-sucht und ich hab’ es
nirgendwo gefunden. Ich hab’ es nie mehr gefunden. Nur, wenn ich bei meinem
Mann im Arm liege, dann habe ich das Gefühl.
Th: Ist das der Grund, warum du deinen Mann so sehr brauchst? Und wenn er nicht
da ist, fehlt dir was?
Kl: - fängt an zu weinen - Ja. Deshalb habe ich auch solche Angst, ihn
zu verlieren. Deshalb ist die Angst so gross. Ich habe immer Angst, mein Zuhause
zu verlieren. - schlägt mit dem Schlagstock und schreit wütend: Ich
will mein Zuhause wieder haben!!! - weint und schreit und schlägt - Scheisse!
Scheisse! Scheisse! - Meine Mutter schützt ihren Kopf mit den Händen,
sie hat Angst, dass ich sie schlage.
Th: Ja, dann würde sie spüren, was sie gemacht hat. Sie hat das scheinbar
noch gar nicht mitgekriegt.
Kl: - schlägt auf das Bild der Mutter ein - Mutti meint, das wäre
viel doller, als wie sie mich geschlagen hätte.
Th: Sie hat dir fast 30 Jahre lang dein Zuhause weg genommen.
Kl: Sie weiss nicht, was das ist. Die kennt das nicht. - Du weisst gar nicht,
was ein Zuhause ist, gell? Sie schüttelt den Kopf. Wann hast du denn deines
verloren? - Im Krieg.
Th: Frag sie mal, wie alt sie war.
Kl: Wie alt warst du? - Auch so drei, vier.
Th: Frag’ sie mal, was passiert ist?
Kl: Alarm, Fliegeralarm. Sie mussten in den Keller. Meine Mutter hat heute noch
Panik vor Sirenen und lauten Geräu-schen. Mutti, ich hab’ mich oft
mit er-schreckt, wenn du dich erschreckt hast. Du hast mir nie Vertrauen geben
können und das Vertrauen, was ich hatte, hast du mir dort mit dem Teddy
genommen. Du hast mir alles genommen, was ich hatte. Jede Sicherheit, die ich
in mir gespürt habe, hast du mir genommen - jede einzelne. Wahnsinn. Oh
Gott. Oh Gott. Du bist ja eine Anti-Mutter. Jetzt sitzt sie da wie so ein Häufchen
Elend. Sie fühlt sich alleine, jetzt. Sie ist traurig.
Th: Ja, klar, sie hat auch als Kind ihr Zuhause verloren.
Kl: Mein Gott! Das ist ja wie ein Famili-enthema. Wie kann ich das denn lösen?
Meine Mutter sagt, ich habe es gerade gelöst. - Kannst du es für dich
auch wahrnehmen, Mutti? Nein, sie weiss nicht, was ein Zuhause ist - sie schlägt
sich gerade die Decke über die Schul-tern.
Th: Vielleicht hat sie dir ja deswegen den Teddy weg genommen, damit sie nicht
daran erinnert wird, dass es sowas gibt wie ein Zuhause.
Kl: Sie nickt ganz verschämt und jetzt drückt sie mir meinen Teddy
in die Arme. Sie versucht es wieder gut zu machen und drückt den Teddy
fest an mich. Jetzt nimmt sie mich in den Arm mit dem Teddy - sie liebt mich.
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